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Lehrordnung
der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands

Vom 16. Juni 1956 / 3. Januar 1983

(ABl. VELKD Bd. l S. 54) / (ABl. VELKD Bd. V S. 284)

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Generalsynode und Bischofskonferenz der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands haben die folgende Erklärung zur Lehrverpflichtung und Handhabung der Lehrgewalt und – in Ausführung von Artikel 151# der Verfassung – das nachstehende Kirchengesetz über das Verfahren bei Lehrbeanstandungen als Lehrordnung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands beschlossen, die hiermit verkündet werden.
ÜBERSICHT
Erklärung zur Lehrverpflichtung und Handhabung der Lehrgewalt
  1. Die Verantwortung der Kirche für die rechte Lehre
  2. Die Lehrnorm
  3. Die Lehrgewalt
  4. Die Handhabung der Lehrgewalt
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Kirchengesetz über das Verfahren bei Lehrbeanstandungen

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I. Abschnitt:
Das Lehrverfahren gegen Amtsträger der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands
  1. Das Lehrgespräch
  2. Das Feststellungsverfahren
  3. Gemeinsame Vorschriften für das Lehrgespräch und das Feststellungsverfahren
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II. Abschnitt:
Das Lehrverfahren gegen Amtsträger der Gliedkirchen
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Erklärung zur Lehrverpflichtung und Handhabung der Lehrgewalt
Vom 16. Juni 1956

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I.
Die Verantwortung der Kirche für die rechte Lehre

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Begründung
Inhalt und Maßstab aller Lehre in der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands ist „das Evangelium von Jesus Christus, wie es in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments gegeben und in den Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche, vornehmlich in der ungeänderten Augsburgischen Konfession von 1530 und im Kleinen Katechismus Martin Luthers bezeugt ist“ (Verfassung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands vom 8. Juli 1948, Art. l Abs. 1).
Die Kirche lebt aus dem Evangelium. Sie ist von Gott mit seiner Bezeugung und Weitergabe betraut. Darum ist sie um des Heiles der Menschen willen vor Gott dafür verantwortlich, daß „das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente lauts des Evangelii gereicht werden“ (Augsb. Bek. Art. VII).
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Umfang
Lehre bedeutet nicht nur die Lehrdarbietung im engeren Sinne, sondern umfaßt die Verkündigung des Evangeliums auf jegliche Weise. Die Verantwortung der Kirche für die rechte Lehre bezieht sich daher sowohl auf die theologische Lehrtätigkeit wie auf die gottesdienstliche Verkündigung, kirchliche Unterweisung, seelsorgerliche Tätigkeit und jede andere Darbietung des Evangeliums, in der es im geordneten kirchlichen Dienst der Gemeinde bezeugt wird.
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Betätigung
Die Kirche betätigt ihre Verantwortung für die rechte Lehre in erster Linie positiv durch die schriftgemäße Lehrdarbietung selbst auf diesem Grunde und in ihrem Dienst dann aber auch regulativ-kritisch durch sorgfältiges Wachen über deren Reinheit.
Das verpflichtet sie zur tätigen Sorge
  1. für die rechte Zurüstung und Bestellung geeigneter Verkündiger und Lehrer des Evangeliums (Ausbildung und Prüfung, Ordination und Vokation, Lehrverpflichtung) und
  2. für die Aufrechterhaltung rechter und die Überwindung falscher Verkündigung und Lehre (Visitation, Beratung, Lehrverfahren).
Der Betätigung solcher Verantwortung hat alle Lehrordnung zu dienen.
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II.
Die Lehrnorm

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Schrift und Bekenntnis
Alle Verkündigung, Unterweisung und Sakramentsverwaltung in der Kirche ist an der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testamentes auszurichten und daraufhin zu prüfen, ob sie mit der apostolischen Verkündigung des Evangeliums übereinstimmt. Die Mitte und Summa der Heiligen Schrift ist in den Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche bezeugt. Die Bekenntnisse der Kirche sind nicht Autorität neben der Heiligen Schrift, sondern Richtweiser in ihren zentralen Inhalt und Anweisung für eine dem Evangelium gemäße Lehrverkündigung. Darum sind für die Beurteilung der Lehre die Heilige Schrift als norma normans und die Bekenntnisschriften der Kirche als norma normata in der rechten Weise aufeinander zu beziehen (F.C. Von dem summarischen Begriff usw.).
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Lehrverpflichtung
Die Übertragung des Amtes der öffentlichen Verkündigung und Sakramentsverwaltung, wie sie in der Ordination geschieht, aber auch die Erteilung jedes anderen kirchlichen Auftrages zu Verkündigung, Unterweisung oder Lehre schließen die Übernahme einer Bindung an die Lehrnorm ein. Die Übernahme dieser Lehrbindung findet ihren Ausdruck in einer förmlichen Verpflichtung. Wer eine Lehrverpflichtung eingeht, muß zuvor über deren Inhalt und Bedeutung sorgfältig unterrichtet sein.
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III.
Die Lehrgewalt

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Das Wort Gottes
Lehrgewalt ist die Vollmacht, rechte Lehre in der Kirche festzustellen und dem Evangelium widerstreitende Lehre zu verwerfen. Diese Lehrgewalt hat letztlich das Wort Gottes selbst inne. Alle Prüfung der kirchlichen Lehrverkündigung hat darum so zu geschehen, daß dadurch dem Urteil des Evangeliums Raum gegeben wird. So bleibt das Wort Gottes Heiliger Schrift „der einig Richter, Regel und Richtschnur“ (F.C., a. a. O.).
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Lehramt der Kirche
Das Lehramt der Kirche besitzt keine eigene Lehrgewalt neben oder gar vor der Heiligen Schrift, sondern hat nur die Lehrgewalt des Wortes Gottes geltend zu machen. In diesem abgeleiteten Sinne ist die Lehrgewalt von Gott der ganzen Kirche, Amt und Gemeinde, übertragen. An ihr hat jeder, dem ein Amt in der Kirche übertragen ist, nach dem Maße seiner Berufung und seines Auftrages Anteil. Weil Lehrdarbietung und Wachen über der Lehre zusammengehören, wird die Lehrgewalt in erster Linie durch solche ausgeübt, die zur geistlichen Aufsicht in der Kirche bestellt sind, und durch die theologischen Lehrer der Kirche. Auch die Gemeinde und ihre berufenen Vertreter haben Recht und Pflicht, die ihnen dargebotene Verkündigung darauf zu prüfen, ob sie dem Evangelium gemäß ist.
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IV.
Die Handhabung der Lehrgewalt

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Lehrdarbietung
Die grundlegende und maßgebende Handhabung der Lehrgewalt ist die lautere und vollkräftige Verkündigung des Wortes Gottes. Sie erfordert vor allem die rechte Auswahl, Zurüstung und Anleitung aller derer, die im Predigtamt oder im sonstigen öffentlichen Dienst der Kirche stehen.
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Beratung und Mahnung
Zur Handhabung der Lehrgewalt gehört ferner die Visitation als helfender Dienst am Amte der Verkündigung und Unterweisung. Dieser Dienst geschieht innerhalb und außerhalb der amtlichen Kirchenvisitationen in Erinnerung an die Lehrverpflichtung durch geistlich-brüderliche Beratung, Ermahnung und erforderlichenfalls Zurechtweisung.
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Lehrbeanstandung
Die der Kirche auferlegte Verantwortung für das Aufrechterhalten rechter Lehre schließt ein, daß in der öffentlichen Lehrdarbietung bestimmte unüberschreitbare Grenzen gewahrt werden. Werden diese Grenzen verletzt, so muß, wenn die Mittel der Beratung und Ermahnung nicht ausreichen, der Weg der Lehrbeanstandung in einem förmlichen Verfahren begangen werden. Auch bei dieser äußersten Maßnahme ist im Auge zu behalten, daß alle Lehrordnung ein positives Ziel hat.

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